Dienstag, 30. Oktober 2012

US-Berufungsgericht rollt Softwarepatent-Verfahren neu auf

In den USA steht erneut eine maßgebliche Entscheidung im Streit über Softwarepatente an: Das zuständige Berufungsgericht in Washington hat sich in einer kürzlich veröffentlichen Entscheidung (PDF-Datei) bereit erklärt, den Fall "CLS Bank vs. Alice" zur Umsetzung bekannter Ideen auf Computern in voller Besetzung neu aufzurollen. Der "Court of Appeals for the Federal Circuit" will die Auseinandersetzung so mit 12 statt normalerweise drei Richtern noch einmal gründlich begutachten.

Mit dem Verfahren soll unter anderem ein neuer Test erarbeitet werden, mit dem entschieden werden kann, ob es sich bei einer "computerimplementierten Erfindung" um eine nicht zu schützende "abstrakte Idee" handelt. Zugleich will die gesamte Kammer klären, ob der Einbezug eines Computers in einen Schutzanspruch ausreicht, um diesen anerkennenswert zu machen, auch wenn die Grundidee an sich kein Patent verdient hat. Eine weitere aufgeworfene Frage bezieht sich darauf, ob es bei der Auslegung des US-Patentgesetzes einen Unterschied machen soll, ob eine Erfindung als "Methode, System oder Speichermedium" beansprucht wird.

In dem Streit geht es um mehrere US-Patente des Unternehmens Alice, die ein Grundkonzept für eine spezielle, computergestützte Finanztransaktion abstecken. Dabei garantiert ein zwischengeschaltetes System, dass vor Auslösen des Geldgeschäfts alle beteiligen Parteien ihre vertraglichen Verpflichtungen eingehalten haben. Die verklagte CLS Bank geht davon aus, dass die geschützte Funktion auch von jedem beliebigen Mittelsmann mit Papier und Bleistift ausgeführt werden kann. Es handle sich nicht nur um eine abstrakte, sondern buchstäblich antike Idee. Die infrage gestellten Patente versuchten, eine allgemein bekannte und fundamentale wirtschaftliche Übung durch eine Serie von Ansprüchen auf computergestützte Methoden, Systeme und Medien zu monopolisieren. Firmen wie Google, LinkedIn oder die Bürgerrechtsorganisation Electronic Frontier Foundation (EFF) unterstützen die Argumentation des Finanzinstituts.

Die erste Instanz hielt in dem Verfahren fest, dass die beanspruchte Erfindung allein eine Formel oder Art und Weise bereitstelle, um eine elektronische Zwischenstation für den Austausch von Verpflichtungen zu nutzen. Sie sei so abstrakt, dass sie nicht geschützt werden könne. Im Juli widersprach das Berufungsgericht dieser Ansicht mit der hauptsächlichen Begründung, dass die Umsetzung des Verfahrens in ein Computersystem eine schutzwürdige Leistung darstelle. Die Richterin Sharon Prost wollte sich damals der Mehrheitsmeinung nicht anschließen. Sie ging davon aus, dass in dem Berufungsverfahren Vorgaben des Obersten US-Gerichtshofs nicht berücksichtigt worden seien. Die Juristin beklagte zugleich, dass der Supreme Court für derlei Fälle keinen klaren Test zur Abgrenzung reiner Ideen aufgestellt habe.

Das Oberste US-Gericht hatte im März im Fall "Mayo vs. Prometheus" betont, dass "Naturgesetze, natürliche Phänomene und abstrakte Ideen" keinen Patentschutz genießen können. Anders verhalte es sich bei deren gezielten Anwendung. Im Verfahren " Ultramercial vs. Hulu", in dem es um ein Patent auf ein Verfahren zur Online-Werbung geht, hob der Supreme Court zwei Monate später erneut ein Urteil der Vorinstanz auf und verwies den Fall zurück an die Richter in Washington. Entgegen mehrerer Bitten aus der Zivilgesellschaft und der Wirtschaft stellte er aber selbst keine weitere Richtlinien zur Patentierbarkeit von Software und rechnergestützten Erfindungen auf.

So bleiben die vagen Maßgaben aus dem Fall des Programmierers Bernard Bilski bestehen. Dessen Schutzanspruch auf ein Verfahren zur Messung von Schwankungen in der Verbrauchernachfrage erklärte das Oberste Gericht für ungültig, da er sich auf eine abstrakte Idee beziehe. Gleichzeitig hielt es aber fest, dass das US-Recht Patente auf Software oder Geschäftsmethoden nicht kategorisch ausschließe. Den vom Berufungsgericht aufgestellten "Maschinen- oder Transformationstest" hinterfragte der Supreme Court.

Selbst prinzipielle Patentbefürworter wie der US-Rechtsprofessor Dennis Crouch fordern inzwischen mehr Ehrlichkeit in der Debatte und appellieren an das US-Patentamt und die Gerichte, endlich klarzustellen, wann und ob Software patentierbar sein soll. Bisherige Konstrukte über Ansprüche auf "computerimplementierte Erfindungen" müssten ihrer Ansicht nach ad acta gelegt werden. (Stefan Krempl) / (mho)


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