Freitag, 28. Dezember 2012

Internet Governance Forum in Baku: Zwischen Freiheit und Kontrolle

Die gesellschaftlichen, kulturellen, wirtschaftlichen und Kommunikationsräume im Internet müssen von den Gesellschaften der Nutzer selbst kontrolliert werden, forderte Amelia Andersdottir, Abgeordnete der Piraten im europäischen Parlament auf dem 7. Internet Governance Forum. Andersdotter schockte die versammelten Diplomaten mit ihrer Zusammenfassung zum schleppenden Fortschritt der Anpassung von Urheberrechtsregimen weltweit: "Fuck you, das ist meine Kultur!", sagte Andersdottir mit den Worten George Michaels.

Es werde zwar viel über den Schutz von Freiheit und Grundrechten im Internet gesprochen, sagte Andersdottir. Es fehle aber an politischen Persönlichkeiten, die das Thema wirklich vorantrieben. Das Thema Urheberrecht ist erstmals recht prominent im IGF vertreten. In einem von mehreren Workshops zu dem kontroversen Thema wird die Frage gestellt: "Das Urheberrecht überdenken?" Andersdottir sagte zu heise online, das IGF sei ein guter Ort für den Beginn einer internationalen Diskussion von unten. "Wir können nicht ganz oben harmonisieren, bevor wir uns an der Basis über Normen verständigt haben."

Der Gastgeber Aserbaidschan, der von verschiedenen Organisationen wegen der Unterdrückung kritischer Meinungen kritisiert wurde, kam glimpflich durch die Eröffnungssitzung. Ziga Turk, für IT mit verantwortlicher litauischer Minister, meinte, die Bürger erwarteten, dass die Netzinfrastruktur da sei und immer so wie das Straßennetz funktioniere. "Die Bürger erwarten aber nicht, dass wir auch kontrollieren, was in Trucks über diese Straßen transportiert wird oder welche Musik sie im Netz hören."

Der Chef der US National Telecommunication and Information Administration (NTIA), Lawrence Strickling, konzentrierte sich in seiner Rede auf die Gefahren, die in den USA mit den Verhandlungen zu den künftigen International Telecommunications Regulation (ITR) verbunden werden. In keiner Frage seien die USA, die einen die Gesellschaft spaltenden Wahlkampf erlebt hätten, so einig wie da, wo es um eine stabiles und sicheres Internet geben müsse, das frei von staatlicher Kontrolle sei. Eine UN-Versammlung wie die World Conference on International Telecommunication (WCIT) werde dem Thema Internet Governance niemals gerecht, denn das gehöre in die Hand aller Interessensgruppen, und nicht nur der Regierungen.

Große Unterstützung für das so genannte Multi-Stakeholder Modell kam auch vom indischen Telekom-Minister Kapil Sibal. Schon das Wort "Governance" treffe es eigentlich nicht, denn das impliziere wieder die Regierenden und die Regierten. Der Cyberspace – in dem laut Tagore "der Geist ohne Angst" und "das Wissen frei" sei – brauche ein neues Design der Zusammenarbeit und Teilhabe, um Fragen des öffentlichen Interesses zu beantworten.

Wu Hongbo, UN Department for Econonomic and Social Affairs (UNDESA), der neuerdings bei den Vereinten Nationen für das IGF zuständig ist, versprach, die UN halte an der IGF fest. Angesichts der wachsenden Aufmerksamkeit und die Besucherzahlen sei der Erfolg groß. Der britische Staatssekretär für Kultur, Kommunikation und Kreativwirtschaft, Edward Vaizey, forderte, diesen Bekundungen auch endlich die offenen Stellen für das IGF zu besetzen. Das IGF ist seit zwei Jahren ohne Sekretär und der Generalsekretär ohne Nachfolger für seinen Sonderbauftragten für Internet Governance. Nicht an frühere Foren heran kommt die IGF in Baku im Hinblick auf die Konnektivität. Zahlreiche Delegierte sind vom Netz praktisch völlig abgeschnitten. (Monika Ermert) / (anw)


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