Mittwoch, 26. Dezember 2012

Internet Governance Forum: Kritik an Gastgeber Aserbaidschan

Zensur im Internet und anderswo wendet sich letztlich gegen die Zensoren. Das sagte Dunya Miyatovich, Beauftragte für Medienfreiheit der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), am Vorabend des 7. Internet Governance Forums (IGF) der Vereinten Nationen in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku. "Ich habe das vielen Regierungen und den Aktivisten immer wieder gesagt, wer die neuen Freiheiten, die das Internet bietet, nicht ergreift, wird untergehen." Miyatovich richtete ihren Appell für den Schutz der Medien- und Informationsfreiheit ausdrücklich auch an das Gastgeberland.

Miyatovitch begrüßte, dass in jüngster Zeit sechs Journalisten aus aserbaidschanischen Gefängnissen freigelassen wurden. Das Land müsse aber auch die Medien- und Meinungsfreiheit grundlegend besser schützen. Sicherheit und Menschenrechte auszubalancieren oder besondere regionale Besonderheiten mehr zu berücksichtigen kann die OSZE-Beauftragte gar nichts abgewinnen. "Wenn ein Journalist eingesperrt und verfolgt und seine Familie bedroht wird, dann kann ich da nichts ausbalancieren und ich kann auch nicht mit stiller Diplomatie reagieren." Miyatovich sagte, in zu vielen der 56 OSZE-Mitgliedsländer müssten Medien- und Informationsfreiheit mehr geschützt werden.

Human Rights Watch veröffentlichte bereits am Sonntag eine Liste mit Journalisten und Menschenrechtsaktivisten, die zurzeit in Aserbaidschan in Gefängnissen sitzen. In vielen Fällen werde Journalisten wegen angeblichem Drogenbesitz, Widerstand gegen die Staatsgewalt oder anderer nicht mit ihrer Berichterstattung zusammenhängender Vergehen der Prozess gemacht. Elf Fälle dokumentiert Human Rights Watch.

Das gezielte Vorgehen gegen kritische Journalisten und Regimekritiker ist nach Einschätzung der Initiative Expression Online derzeit die größte Bedrohung der Meinungsfreiheit. Die Initiative, zu der der Aserbaijan Human Rights Club, das Aserbaijan Media Center und das Institute for Reporters Freedom and Safety gehören, erklärt in einem ausführlichen Bericht (PDF-Datei) zur Freiheit des Internet in ihrem Land, der Zugang zu Netz und Plattformen reiche nicht. Aserbaidschans Nutzer könnten technisch gesehen online tun, was sie wollen, sie seien aber nicht vor Übergriffen sicher. Nutzer, die bestimmte Grenzen überschreiten und etwa zu Demonstrationen aufrufen oder Korruption anprangern und den Staatspräsidenten und seine Familie angreifen, gingen ein großes Risiko ein.

Nicht immer gehen die Behörden dabei den Rechtsweg. Die Journalistin Khadija Isayilova, die über das Firmenimperium der Präsidentenfamilie geschrieben hatte, wurde in ihrem Schlafzimmer überwacht; dabei wurden Bilder angefertigt, die ins Netz gestellt wurden. Zwar konnte der Hoster in den USA unter Hinweis auf seine eigenen Vertragsbedingungen die Bilder löschen. Die Spur der IP-Adressen des Inhabers der Bilder verläuft sich aber irgendwo zwischen Russland, Panama und Aserbaidschan. Für die Journalistin ist klar, dass die Überwachung nur durch die Behörden eingeleitet worden sein kann. Ihr liegt eine Aussage von dem Mitarbeiter der staatlichen Telefongesellschaft vor, der die Zuleitung für die Überwachung bis zu ihrer Haustür legen musste. Die Ermittlungen der Behörden seien aber bislang nicht vorangekommen, sagte sie in Baku auf einem Panel von Index on Censorship zur Privatisierung von Zensur.

Ob zur offiziellen Eröffnung des IGF am heutigen Dienstag einer der hochrangigen Regierungsvertreter das Thema Meinungsfreiheit in Aserbaidschan anspricht, so wie dies die Schweizer Regierung vor Jahren auf dem Weltgipfel der Informationsgesellschaft in Tunis tat, ist fraglich. Die Zivilgesellschaft wird dies voraussichtlicht tun und dabei auch die UN kritisieren. UN-Beamte haben die Verteilung Zensur-kritischer Postkarten auf dem IGF in Baku verboten, ein Staat habe daran Anstoß genommen. Das passt allerdings nicht zum diesjährigen IGF, bei dem Menschenrechte und Meinungsfreiheit im Netz sowie das Thema Datenschutz im Cyberspace weit oben auf der Tagesordnung stehen. (Monika Ermert) / (anw)


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